Gerling-Sternwarte

Gerling-Sternwarte der Philipps-Universität Marburg, Foto Jan Loske

Gerling-Sternwarte der Philipps-Universität Marburg, Foto Jan Loske

Die Sternwarte wurde von Christian Ludwig Gerling 1841 nach dem Umzug des Mathematisch-Physikalischen Instituts in das frisch renovierte und umgebaute Gebäude am Renthof im Turm des Renthof 6 eingerichtet. Im Oktober deselben Jahres und in Betrieb genommen nahm er sie mit einer Messung des Polarsterns in Betrieb.

Das obere Ende des Turmes bestand aus einem achteckigen Häuschen umgeben von einer Galerie. Das Häuschen nutzte er zur Aufbewahrung seiner Geräte und gelegentlich auch zu Beobachtungen mit kleineren Teleskopen. Auf der Galerie ließ Gerling Säulen setzen, die vom Gewölbe des darunterliegenden Raumes getragen wurden und so selbst oben auf dem Turm einen recht festen und schwingungsarmen Stand der Teleskope erlaubten. Das Foto zeigt einen Blick von Norden auf die Sternwarte. Die meisten Beobachtungen erfolgten von der Säule im Westen.

Die Ausstattung der Sternwarte war für den Einsatz in der Ausbildung der Studierenden ausgelegt. Gerling und seine Studenten haben selber keine längerfristigen Beobachtungsprogramme gestartet oder sich an Kampagnen beteiligt. Es gibt jedoch Aufzeichnungen über Beobachtungen von Finsternissen, Sternbedeckungen, Planeten und deren Monde, Asteroiden, Kometen und Meteorschwärmen. Insbesondere in der Erforschung der Bahnen der Asteroiden waren Gerling und seine Mitarbeiter in die aktuelle Forschung eingebunden.

Der Beobachtungsplatz

Um die Westsäule herum befand sich ein Anbau zum Schutze des dort aufgestellten und justierten Instruments. Ein Teil des Anbaus bestand aus einem auf Rollen beweglichen Kasten, den man für Beobachtungen so weit nach Westen wegrollte, dass das Teleskop freie SIcht hatte und zugängig war. Der Anbau ist auf der Skizze aus dem Jahr 1890t gut zu erkennen; er muss später abgerissen worden sein, vermutlich bei einer Renovierung in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Von der Westsäule aus konnte Gerling den südlichen, westlichen und nördlichen Teil des Himmels gut einsehen. Nach Osten hin war die Sicht durch das Häuschen in der Mitte auf dem Turm teilweise verdeckt, man konnte jedoch durch die geöffneten Fenster hindurch bis zu 12° Zenitdistanz im Osten einsehen.

Zur einfachen Justierung des Teleskops auf der Westsäule ließ Gerling 1842 einen Peilstein im Norden – einen Meridianstein – und 1862 je einen Ost- und Weststein in einigen km Entfernung zur Sternwarte errichten.

Skizze des Gebäudes Renthof 6 mit Sternwarte aus dem Jahr 1890

Skizze des Gebäudes Renthof 6 mit Sternwarte aus dem Jahr 1890

Die Koordinaten der Sternwarte

Die Koordinaten des Observatoriums wurden von Gerling ermittelt und 1862 im Rahmen der Dissertation von Richard Mauritius, Student bei Gerling, noch etwas verbessert:

  • geographische Breite:  50° 48' 44,1'' Nord
  • geographische Länge:   8° 46'  24,3'' Ost
  • Höhe der Beobachtungsplattform: 263,7 m über N.N.

Eine aktuelle GPS Messung zeigt, dass die wahre Position etwa 15" östlicher liegt. Die Sternwarte ist unter der Nummer 525 im Minor Planet Center der IAU (International Astronomical Union) als Beobachtungssternwarte für Asteroiden und Kleinkörper registriert.

Die Sternwarte unter Gerlings Nachfolgern

Das Mathematisch-Physikalische Institut am Renthof, 1880, Turm mit der Sternwarte hinter dem Institutsgebäude. (Foto: Bildarchiv Foto Marburg. Fotograf: Ludwig Bickell).

Das Mathematisch-Physikalische Institut am Renthof, 1880, Turm mit der Sternwarte hinter dem Institutsgebäude. (Foto: Bildarchiv Foto Marburg. Fotograf: Ludwig Bickell).

Franz Melde, Gerlings Nachfolger, nutzte die Sternwarte im Einsatz der Ausbildung von Studierenden und für Zeitmessungen. Der wohl bekannteste Direktor der Sternwarte außer Gerling war Alfred Wegener. Er wrikte und forschte in Marburg von 1909 bis 1919, jedoch nicht an astronomischen Themen. Einzelne Forschungen zu variablen Sternen sind bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts dokumentiert. Heute ist sie mit einer kleinen Ausstellung zu besonderen Gelegenheiten für die Öffentlichkeit zugängig.